„Raus aus der Bubble“ - Projektwoche „Zam schaffa“

Gäste aus Politik, Wirtschaft und öffentlichen Unternehmen lernten die Arbeitswelt psychisch erkrankter Menschen kennen.

„Zam schaffa“ - so lautete das Motto einer Projektwoche, die gerade in Kempten und dem Oberallgäu stattfand. Initiiert hatte diese der Arbeitskreis „Arbeit“ des Gemeindepsychiatrischen Verbunds (GPV) Kempten-Oberallgäu des Bezirks Schwaben. Ziel der alljährlich stattfindenden Veranstaltung ist es, die berufliche Inklusion und Teilhabe von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in der Region für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Die Diakonie Allgäu hatte zu diesem Zweck einige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und öffentlichen Unternehmen in verschiedene ihrer Einrichtungen eingeladen. Anstatt sich nur umzusehen, durften sie die Ärmel hochkrempeln und vor Ort mitarbeiten, um so einen Einblick in diese etwas andere Arbeitswelt zu bekommen. Das Fazit der fünf Gäste fällt durchweg positiv aus. Alle zeigten sich begeistert von der angenehmen Atmosphäre, dem guten Miteinander, den interessanten Gesprächen und der Sinnhaftigkeit der Angebote.

Rosi Oppold, Stadträtin, Familienbeauftragte und 3. Bürgermeisterin der Stadt Immenstadt 
Rosi Oppold besuchte in Immenstadt die Tagesstätte des Sozialpsychiatrischen Zentrums (SPZ) der Diakonie Allgäu. Diese ist ein offener Ort der Begegnung für Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Die 69-jährige Lokalpolitikerin half zunächst in der Küche bei der Zubereitung von Kartoffelgulasch für 20 bis 25 Personen und später in der Werkstatt mit. Sie sagt: „`Zam schaffa´ ist eine wunderbare Art, auch miteinander ins Gespräch zu kommen. So habe ich erfahren, welche Hürden man nehmen muss, um eine einigermaßen bezahlbare Wohnung zu finden; wie wichtig Bus und Bahn sind, um ins SPZ zu kommen, wenn man kein Auto hat; dass die gebotene Tagesstruktur hilft, den Alltag besser meistern zu können - dies ist oft nicht einfach, weil die psychische Erkrankung einen lähmt oder überreizt; aber auch, wie schwierig es ist, an Arbeitsaufträge zu kommen, die die Besucherinnen und Besucher (so lautet die offizielle Bezeichnung der Mitarbeitenden, Anm.d.Red.) bewältigen können - und trotzdem werden immer wieder welche gefunden.“ Besonders beeindruckt habe sie die freundliche, ruhige und stressfreie Atmosphäre im Haus und der respektvolle Umgang miteinander. „Dahinter sehe ich auch die hohe Professionalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

ZAK-Geschäftsführer Christian Oberhaus, AÜW-Geschäftsführer Michael Lucke und Helene Vetter, Leiterin der Arbeitsvermittlung des Jobcenters Kempten
ZAK-Geschäftsführer Christian Oberhaus, AÜW-Geschäftsführer Michael Lucke und Helene Vetter, Leiterin des Jobcenters Kempten, waren im D+W Werkhaus in Kempten zu Gast. In der Einrichtung finden psychisch kranke Menschen in mehreren Arbeitsprojekten eine leichte Zuverdienstmöglichkeit. Helene Vetter erklärt: „Ich habe mich sehr für die Projektwoche interessiert, weil ich einen Blickwechsel für meine Arbeit im Jobcenter wichtig finde.“ Sie ließ sich in die Herstellung der so genannten „Lichtblickanzünder“ für Öfen und Grills unterweisen. Die Offenheit, die ihr entgegengebracht worden sei, habe sie sehr beeindruckt. „Ich wurde sofort in das Team aufgenommen.“ Auch sie lobt die gute Arbeitsatmosphäre. Das `Wir-Gefühl´ sei auch beim gemeinsamen Mittagessen deutlich spürbar gewesen. „Der Tag hat mir einmal mehr verdeutlicht, wie wichtig ein niederschwelliges Arbeitsangebot für unsere Gesellschaft ist.“
Christian Oberhaus und Michael Lucke machten sich bei der Herstellung des Anfeuerholzes des D+W Werkhauses nützlich. Ihre Hauptaufgabe dabei war es, bei den Vorarbeiten für die Verpackung des Anfeuerholzes mitanzupacken. Michael Lucke erläutert seine Beweggründe, sich an der ungewöhnlichen Aktion zu beteiligen: „Zum einen ist die Diakonie Nachbar der AÜW in der Illerstraße. Dadurch ergeben sich immer eine Vielzahl von Begegnungen mit den Menschen, die dort arbeiten. Zum anderen glaube ich, dass es für uns und die Gesellschaft wichtig ist, von Zeit zu Zeit die Perspektiven zu wechseln, über den Tellerrand zu blicken, oder, wie man so schön neudeutsch sagt, `Raus aus der eigenen Bubble zu kommen´. Das wurde mir durch die Projektwoche ermöglicht. In unserer `Bubble´ beschäftigen wir uns ganz viel mit der Energiezukunft des Allgäus, aber auf die Zukunft des Allgäus zahlen viele ein - auch die Diakonie mit ihren Projekten.“

Maximilian Jork, Inhaber und Geschäftsführer der Firma Früchte Jork
Maximilian Jork, in 4. Generation Inhaber und Geschäftsführer der Firma Früchte Jork aus Isny machte am Donnerstag den Abschluss der Projektwoche. Er stand in der Küche der Sozialpsychiatrischen Tagesstätte in Kempten, auch bekannt als „Haus Lichtblick“, mit am Herd. Gemeinsam mit Besucherinnen und Besuchern der Einrichtung bereitete er seine Lieblingsspeise zu: Leberkäse mit Kartoffelsalat und als Nachspeise ein Dessert mit frischen Erdbeeren. „Ich wurde sehr herzlich empfangen und es war von Anfang an eine tolle Atmosphäre“, berichtet er. „Die Idee zu dieser Projektwoche ist super und sollte unbedingt beibehalten werden. Sie bietet die perfekte Gelegenheit zu sehen, wie wichtig die integrative Arbeit ist und welchen Mehrwert sie einem Team bringt.“ Christian Oberhaus´ Fazit kann wohl auf alle fünf Teilnehmenden übertragen werden: „Ich hätte es sehr bedauert, nicht mitzumachen“, so der ZAK-Geschäftsführer. „Hier wird eine wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft geleistet, die leider viel zu wenig bekannt ist. Die Projektwoche ist eine gute Gelegenheit, hierüber zu informieren.“


Neben der Diakonie Allgäu hatten auch der psychosoziale Hilfsverein OhA e.V. und die psychosoziale Hilfsgemeinschaft HOI! im Rahmen der Projektwoche „Zam schaffa“ Gäste in ihre Einrichtungen eingeladen.